31.07.2002 - Niederschlagsintensives Unwetter mit Tornado

Als sich über der Hörnliregion und in der Region Diessenhofen Gewitterzellen bildeten und diese sich weiter verstärkten, entschloss ich mich zu einem Chasing mit meinem Bruder.  Ich fuhr nach Müllheim, von wo ich auf die Autobahn fuhr und von dort weiter bis nach Frauenfeld, wo bereits eine schwarze Wand im Westen zu sehen war. In Frauenfeld West ging ich wieder von der Autobahn herunter und fuhr in Richtung Uesslingen - Oberneunform. In Uesslingen kam es zu Sturmböen aus südlicher Richtung. Man sah schon vor Uesslingen, wie die Böen den Regen vor sich her bliesen und sogar wieder in die Höhe rissen. Kleiner Äste lagen auf der Strasse. Dann setzte kräftiger Regen ein. Das Ganze lief zunächst ohne Blitz und Donner ab. Kurz danach traten vor Oberneunform die ersten Blitze auf. Wir fuhren genau in den "core" hinein. Dort extremer, grosstropfiger Sturzregen. Von den Hängen floss Wasser in Bächen herunter. Interessanterweise gab es innerhalb der Zelle nicht den kleinsten Windhauch. Es regnete Bindfäden! In der Region kamen innert kurzer Zeit 45mm Wasser vom Himmel! Zwischendurch herrschte Aquaplaninggefahr und schlechte Sicht von wenigen hundert Metern. In Gisenhard bog ich rechts ab und fuhr in Richtung Stein am Rhein. In dieser Region gab es viele Nahblitzeinschläge und auch der starke Regen schien kein Ende nehmen zu wollen. In Unterstammheim wurde ein Hopfengarten durch das Unwetter schwer beschädigt.  http://www.radar.ethz.ch/archiv_020731/

Ich habe davon nichts mitbekommen, als ich kurz nach 18 Uhr an Unterstammheim vorbeikam. Erst in der Region Etzwilen im Randbereich der Zelle kam es wieder zu kräftigen Windböen, diese waren jedoch nicht mehr so stark wie jene bei Uesslingen. Kurz vor Stein am Rhein wurde der Regen rasch schwächer und es hellte auf und man konnte Richtung Hemishofen eine sehr verdächtige Zelle mit sehr dunkler Unterseite und tiefer Basis ausmachen. Die Wallcloud gehörte möglicherweise zu einer Mesozyklone. Dafür sprechen die Dopplerbilder von diesem Tag, welche über ein längere Zeitspanne eine Scherzone zeigen.  Also entschied ich mich weiter in diese Richtung zu fahren. Kurz nach Stein am Rhein setzte wieder sehr kräftiger Regen ein. Einige Autofahrer flüchteten sich unter die Rheinbrücke, wahrscheinlich hatten sie Angst vor Hagel. Bis nach Ramsen fiel extremer Niederschlag mit Sichtweiten unter 200 Metern. Doch die stärkste Zelle zog davon und ich kehrte in Ramsen wieder um, da sich eine weitere Verfolgung nicht mehr lohnte. Interessant war auch die tiefe Wolkenbasis. Auf dem Rückweg fiel mir auf, dass die umliegenden Hügel, welche zwischen 600m und 700m hoch sind, von Wolken verhüllt waren. Die Wolkenuntergrenze war schätzungsweise auf 600m Höhe oder sogar noch tiefer. Ich fuhr dem Untersee entlang wieder nach Hause und konnte von dort die abziehenden Zellen beobachten.

Erstaunlicherweise produzierte das Gewitter keinen Hagel, obwohl die Niederschlagintensität zwischendurch sehr hoch war. Die Sturmböen traten am Ostrand des Gewitters auf, innerhalb der Zelle war es beinahe Windstill. Inzwischen denke ich, dass die Schäden in Stammheim durch einen kurzlebigen Tornado und nicht durch einen Downburst verursacht wurden. Dafür spricht die Scherzone, welche über Stammheim besonders gut ausgebildet ist. Zweitens besteht die Möglichkeit einer Mesozyklone, welche die beobachtete Wallcloud verursacht haben könnte. Die Windscherung, Schichtung und die tiefen Wolkenbasen sprechen auch eher für einen Tornado.

Abziehende Zelle aufgenommen in Ermatingen um 19:25 Uhr Richtung Radolfzell