TOP 12.08.2004 - HP "high precipitation" Superzellen

Wetterlage

Auf der Wetterkarte von 00 UTC ist ein Tief mit Kern zwischen Südirland und der Bretagne sichtbar. Der Kerndruck betrug 998 hPa um 00 und 12 UTC. Der Tiefkern bewegte sich bis 12 UTC nur wenig nach Norden. Eine wellende Kaltfront lag um 00 UTC über Westfrankreich.

Bracknell Analyse 00z

Analyse der Satellitenbilder

Im Wasserdampfkanal (WV) ist deutlich zu erkennen, wie um 05:30 UTC feuchte Luft über Mitteleuropa liegt. Über der Biskaya ist ein dunkles Band erkennbar. Dort fliesst bodennahe Kaltluft ein. Nördlich dieses Bandes ist ein fleckiger Wolkenteppich zu erkennen. Die wird durch hochreichende Kaltluft verursacht. Über dem verhältnismässig warmen Wasser bilden sich Schauer- und Gewitterzellen. Südlich des Bandes ist linienartig angeordnete Bewölkung erkennbar. Es handelt sich hierbei um hohe Wolken (Cirrus) welche mit dem Jetstream ziehen. Hinter der Front ist ein besonders dunkler Bereich erkennbar. Dort herrscht starkes Absinken vor. Man nennt das postfrontale Subsidenz.



Um 11:30 UTC sind die hohen Wolken im Jet bereits einige 100 km nach WNW gezogen. Das zeigt die hohen Windgeschwindigkeiten an. Auch die Front kommt in Bewegung und befindet sich über Zentralfrankreich.



Um 17:30 UTC sieht man, dass sich die Front einige 100 km weiter westlich befindet. Sie hat deutlich an Geschwindigkeit zugelegt. An der Vorderseite der Front sind Gewitterzellen erkennbar. Darauf gehe ich später noch genauer ein.



Um 19:00 UTC ist der Wolkenbatzen über Bayern zu bemerken. Auch am Nordrand der Adria und in Slowenien bilden sich erste Gewitterzellen. Das Gebiet mit postfrontaler Subsidenz hat inzwischen die Schweiz erreicht.



Um 23:30 UTC wurde der Wolkenbatzen in ein langgestrecktes Wolkenband eingegliedert. Über Slowenien hat sich inzwischen ein grösserer Gewittercluster entwickelt. Die Kaltfront hat die Warmfront eingeholt und begann zu okkludierende. Bei dem langgestreckten Wolkenband, das bis Irland reicht, handelt es sich um eine Okklusion. Interessant ist auch eine Absinkzone, die sich nördlich der Pyrenäen bis nach Norditalien erstreckt. Sie markiert die einfliessende Kaltluft. Es handelt sich um eine inaktive Kaltfront.



Auf dem Infrarotsatellitenbild von 00:30 UTC habe ich Kaltfront, die Höhenkaltluft und das Gebiet mit starker WLA (Warmluftzufuhr) eingezeichnet. Dort fliesst in allen Luftschichten warme Luft ein. Nördlich dieses Gebiets befindet sich kältere Luft in Bodennähe. Die WLA findet nur noch in der Höhe statt, wodurch Aufgleitprozesse ausgelöst werden.



Auf dem IR-Bild von 06:00 UTC sind die hohen Wolken im Jetstream noch besser zu erkennen. Im Vergleich mit dem Bild von 09:00 UTC sieht man die hohe Zuggeschwindigkeit der Wolken. Die eigentliche Kaltfront ist auf dem Satbild nicht zu erkennen.





Um 12:00 UTC aktiviert sich Kaltfront wieder. Die Jetclouds befinden sich in der Zwischenzeit bereits über den Alpen. Der Wind nahm nun in den höheren Schichten zu.



Um 16:00 UTC hat sich über der Schweiz und Deutschland eine Gewitterlinie gebildet. Zwei Gewittercluster fallen besonders ins Auge. Man sieht, wie der dichte Wolkenschirm dieser Cluster von den kräftigen Höhenwinden nach Osten verweht wird. Hinter der Kaltfront hat sich eine weitere Schauer- und Gewitterlinie ausgebildet. Sie entstand in der labilen Höhenkaltluft. Um 18:00 UTC sieht man einen besonders grossen Cluster über Bayern. Es handelt sich um einen MCS, dessen Entwicklung bereits über der Schweiz begonnen hat.





Auf dem sichtbaren (visible) Satellitenbild ist die Kaltfront besser zu erkennen. Man sieht, wenn man die verschiedenen Bilder vergleicht, dass die Front bis zum Mittag schneller wird.





Um 12:00 UTC liegt die Front knapp westlich der Schweiz. An der Vorderseite der Front findet kräftige Warmluftadvektion (WLA) statt. Die unscharfen Wolkenfetzen, welche vor allem im mittleren und hohen Stockwerk auftreten, deuten darauf hin. Besonders bemerkenswert ist die fast wolkenlose Zone über der Nordostschweiz und Bayern. Dort muss besonders starke WLA vorgeherrscht haben. Die Schichtung war stark gedeckelt. Die Sonne konnte die Luftmasse in diesen Gebieten stark erwärmen, wodurch mehr potentielle Energie (CAPE) eingebracht wurde, welche vorerst nicht ausgelöst werden konnte. In diesem Gebiet bestand eine richtige „Loaded Gun“-Situation!



Um 14:30 UTC bildete sich an der Frontvorderseite in einem gewissen Abstand zur Front eine Gewitterlinie. Es handelte sich um eine präfrontale Konvergenzzone, welche die Zellen auslösten. Hinter der Kaltfront sieht man Schichtbewölkung. Dort konnte keine Konvektion mehr stattfinden, da die bodennah einfliessende Kaltluft zu einer Stabilisierung der Luftschichtung führte. Die feuchtwarme Luft wurde durch die Kaltluft gehoben und kondensierte. Dahinter ist eine schmale wolkenarme Zone sichtbar, wo postfrontale Subsidenz (Absinken) stattfindet. Hinter dieser Zone ist eine Schauer- und Gewitterlinie zu erkennen. Dort fliesst hochreichende Kaltluft ein, wodurch die Schichtung wieder labilisiert wird. Die Luftmasse hat sich in der untersten Schicht über dem Meer erwärmt und somit zusätzlich labilisiert. Auf dem Bild von 16:00 UTC erkennt man die beiden Gewittercluster und die verwehten Wolkenschirme sehr gut





Analyse des Jetstreams

In der Meteosat-7-Windanalyse von 14 UTC sieht man, dass die stärksten Winde entlang eines Bandes auftreten, welches sich über Norditalien, den Pyrenäen, Nordspanien bis weit in den Atlantik (etwas nördlich der Azoren) hinein erstreckt. Es handelt sich natürlich um den Jetstream. Über Südfrankreich erreichen die stärksten Winde des Jets 80 Knoten (148 km/h).

Höhenwindanalyse 12z

Um 17 UTC befindet sich die Schweiz im Einflussbereich dieses Jetstreaks. Die Winde betragen in dieser Zone 70 kn (130 km/h). Auffällig ist, dass die Windpfeile nicht parallel verlaufen, sondern etwas auseinander zeigen. Dadurch kommt es in der Höhe zu starker Divergenz. Im so genannten Left-Exit-Bereich des Jets entstand das Hagelgewitter über der Ostschweiz. In diesem Bereich kommt es zu besonders starker Divergenz in der Höhe und Hebungsprozessen.

Höhenwindanalyse 15z

Divergenz 12z

Divergenz 15z


Die Scherung war über der Schweiz besonders gross. Die Meteosat-7-Analyse zeigt 50 Knoten Scherung über der Schweiz. Die Hagelzelle entstand an der Vorderseite des Gebiets mit der grössten Scherung.

Scherung 12z

Scherung 15z

Scherung 18z


Interpretation der Messwerte

Um 14:00 Uhr MESZ wurden in städtischen Gebieten verbreitet 28°C bis 29°C erreicht. In ländlichen Gebieten lagen die Temperatur mit 26°C bis 27°C ca. 2°C tiefer. Um 15 Uhr wurden auch in ländlichen Regionen verbreitet 29°C erreicht. Auffällig sind die leicht tieferen Temperaturen in St. Gallen, Altenrhein und Dornbirn. Das könnte an besonders feuchter Luft in diesem Gebiet liegen. Um 16 Uhr hat es westlich der Reuss deutlich abgekühlt. In der Nordostschweiz konnte sich die Luft noch etwas erwärmen. Konstanz und Schaffhausen messen um 30°C. Um 17 Uhr werden um den Bodensee noch zwischen 26°C und 28°C gemessen, sonst liegen die Temperaturen in der restlichen Schweiz bereits unter 25°C. Um 18:00 Uhr hat es am Ostrand des Bodensees noch 25°C, in Vaduz und Chur sogar noch 28°C bis 29°C. In der Ostschweiz liegen die Temperaturen um 20°C, denn die Luft wurde durch die Gewitter stark abgekühlt. Die Kaltfront ist hier aber noch nicht durchgezogen. Westlich der Reuss betragen die Temperatur noch 16°C bis 18°C, da dort die eigentliche Kaltfront bereits durchgezogen ist.

Temperaturen in °C

14:00 Uhr MESZ



15:00 Uhr MESZ



16:00 Uhr MESZ



17:00 Uhr MESZ



18:00 Uhr MESZ



Die Taupunkte im Mittelland bewegen sich um 14:00 Uhr zwischen 16°C und 19°C, in den Städten liegen sie zum Teil noch etwas tiefer. Auffällig ist der tiefe Taupunkt in Payerne mit 13°C. Die höchsten Taupunkte werden in der Nordostschweiz, in der Region Bodensee und dem Rheintal gemessen. Sie liegen zwischen 18°C und 19°C. Ich konnte in Ermatingen zwischen 13:00 und 14:00 Uhr Taupunkte von über 19°C messen. Um 15:00 Uhr gingen die Taupunkte allgemein etwas zurück, die lokale Varianz wird etwas grösser. Um 16:00 Uhr gehen die Taupunkte noch mal etwas zurück, v. a. in der Westschweiz. Maxima sind am Jurasüdfuss, in den östlichen Voralpen und der Nordostschweiz zu finden. Sehr hohe Taupunkte sind ausserdem im Südtessin mit verbreiteten 21°C vorhanden. Während um 17:00 Uhr die Taupunkte in der Westschweiz weiter sinken, steigen sie östlich einer Linie Napf-Basel wieder an. Um 18 Uhr werden östlich der Reuss Taupunkte zwischen 17°C und 18°C gemessen, weiter westlich sind es gerade noch 12°C bis 13°C. Die Kaltfront liegt also noch knapp westlich von Zürich.

Taupunkte in °C

14:00 Uhr MESZ



15:00 Uhr MESZ



16:00 Uhr MESZ



17:00 Uhr MESZ



18:00 Uhr MESZ



Um 14 Uhr fällt die hohe relative Feuchtigkeit in der Nordostschweiz auf. Dort war eine besonders feuchte und somit energiereiche Luftmasse vorhanden. Bis um 17 Uhr hat sich die Luftmasse noch stark erwärmt. Die relative Feuchte war deswegen im Nordosten recht gering, bevor die Gewitterlinie durchzog. Dadurch lag die Wolkenuntergrenze recht hoch, etwa auf 1800 m.ü.M.

Luftfeuchtigkeit in %

14:00 Uhr



17:00 Uhr



Der Luftdruck war um 14:00 Uhr in der Westschweiz etwas höher als in der Ostschweiz. In der Folge sank er im ganzen Mittelland durch die Erwärmung ab. Im östlichen Mittelland geschah dies jedoch wesentlich rascher, so dass im NE um 17:00 Uhr noch 1003 bis 1004 hPa erreicht wurden.

Druck in hPa

14:00 Uhr



VERA-Analyse 12z

17:00 Uhr



Vor der Kaltfront sank der Druck kontinuierlich ab. Dadurch erhöhte sich der Druckgradient, wodurch die Front beschleunigt wurde.

Drucktendenz in hPa/3h

14:00 Uhr



Um 17 Uhr hat die Front den Westrand der Schweiz erreicht. Sie macht sich durch einen Druckanstieg bemerkbar. Um 18 Uhr bleibt der Druck nur noch im äussersten Nordosten konstant, ansonsten machte sich im restlichen Mittelland ein starker Druckanstieg bemerkbar, der durch die bodennahe KLA (Kaltluftzufuhr) verursacht wurde.

17:00 Uhr



18:00 Uhr



Die höchsten Windspitzen wurden verbreitet mit Durchzug der Kaltfront registriert. Nur in den Gebieten mit starken Gewittern waren die Gewitterböen noch stärker als die Sturmwinde der Kaltfront.

Windspitzen bis 20 Uhr in km/h



Bis zum Abend fiel auf der gesamten Alpennordseite Niederschlag. Es gab aber grosse Unterschiede bei der gefallenen Menge. Die höchsten 6-stündige Niederschlagssumme wurde in St. Gallen mit 44 l/m² registriert.

6h-Niederschlag bis 20 Uhr in mm



Auf der VERA-Analyse der potentiellen Temperatur von 12 UTC sieht man sehr schön, dass die Front noch westlich der Schweiz liegt. Das Minimum im Tessin wurde durch die Staubewölkung verursacht, das Maximum im Westösterreich (Inntal) durch Föhneffekte.

Potentielle Temperatur 12z

Die Analyse der äquivalent-potentiellen Temperatur (Theta-e) zeigt, dass sich die energiereichste Luftmasse um 12 UTC im Nordosten der Schweiz befindet. In der Westschweiz sind etwas niedrigere Werte erkennbar. Dort ist bereist etwas trocknere Luft eingeflossen. Diese hat zu einer deutlichen Stabilisierung der Schichtung geführt. Bemerkenswert sind die enorm hohen Theta-e-Werte in der unteren Poebene, die teils über 80°C betrugen! Auf der Grafik von 00 UTC ist zu sehen, wie sich die Kaltluft an die Alpen legt.

Äquivalent-potentielle Temperatur 12z

Äquivalent-potentielle Temperatur 13. Aug 00z

Schichtung der Atmosphäre

Wenn man das Sounding von 00z betrachtet, so fällt eine Inversion zwischen dem 650hPa- und 600hPa-Niveau auf. Ausserdem hat es einen Deckel. Das weist auf bodennahe WLA hin. Die Grundschicht ist sehr feucht. Das virtuelle CAPE liegt bei 586 J/kg, also recht hoch. Die CIN beträgt -57 J/kg. Die Auslösetemperatur liegt bei 26°C. Bei thermischer Auslöse stünden immerhin 1280 J/kg zur Verfügung. Die maximale Windgeschwindigkeit des Jets beträgt 58 kn (107 km/h).

LCL00z

CCL00z


Das 12z-Sounding fällt deutlich trockner aus, vor allem die Grundschicht. Die Inversion ist immer noch vorhanden, jedoch weniger ausgeprägt. Trotzdem beträgt das virtuelle CAPE 454 J/kg, CIN gerade noch 20 J/kg. Der Deckel wird also bald durchbrochen werden. Die Auslösetemperatur liegt bei 28°C. Bei thermischer Auslöse wären 730 J/kg Energie verfügbar. Der Jet hat sich deutlich verstärkt. Die maximale Windgeschwindigkeit beträgt nun 82 kn (152 km/h).

LCL12z

CCL12z


Die Modelle rechneten für die Schweiz mit eher niederen CAPE-Werten. In der Ostschweiz war jedoch auch am Nachmittag noch eine sehr feuchte Grundschicht vorhanden. Es war zu erahnen, dass die CAPE-Werte dort höher waren als es das Payerne-Sounding von 12z und
die Modelle zeigten. Ich habe deshalb das Sounding für die Ostschweiz modifiziert. Es zeigt die Schichtung von 14z in der NO-Schweiz. Dafür habe ich nur die Werte der Grundschicht verändert. Weiter oben habe ich das Sounding im Originalzustand belassen. Ich vermute jedoch, aufgrund von Modellrechnungen, dass sich die Verhältnisse in der Höhe eher etwas verbessert haben.

Modifiziertes Sounding für die Ostschweiz 14z

Man sieht, dass etwa 1650 J/kg vorhanden waren. Da ich bewusst etwas tiefere Werte in das Sounding einfliessen liess und sich die Verhältnisse in der Höhe noch etwas verbessert haben, waren lokal Werte von 2000 J/kg möglich! Ein krasser Unterschied zu den vorhergesagten paar hundert J/kg von GFS. Diese Fehleinschätzung der Modelle für das Schweizer Mittelland kommt vermutlich öfters vor, da die Globalmodelle aufgrund ihrer Auflösung die Topographie von diesem nicht mehr erfassen können. MESO-ETA hat das CAPE besser erkannt, jedoch stimmte das Timing der Kaltfront nicht. Die Ankunft von dieser wurde zu früh berechnet.

In dem Sounding schlägt trotz der eher verhaltenen 0-3km-Helicity von 85 m²/s² der Supercell Composite Parameter an. Das LCL liegt sehr hoch bei ca. 2000 m und damit wahrscheinlich etwas höher als in Wirklichkeit, da ich etwas zu wenig Feuchte einberechnet habe. Das Sounding deutet auf Superzellen mit erhöhtem Risiko für Downbursts hin. Aufgrund der hohen Wolkenbasis und der eher geringen Scherung ist bei solchen Zellen das Tornadorisiko verschwindend klein. Sieht man sich die Hail Size-Indizes an, so stimmen diese auch recht gut mit der tatsächlich aufgetretenen Hagelkorngrösse überein.

Radarinterpretation

Um 13:25 Uhr MESZ bildete sich über dem Puntruter Zipfel eine erste Gewitterzelle. Sie zog Richtung NNE. Um 13:45 ereignete sich ein Zellensplit. Es entwickelten sich 2 kleine, aber kräftige Zellen. Die rechte Zelle scherte nach rechts aus und beschleunigte sich gleichzeitig. Auf den PPIs ist auf einigen Bildern etwas Azimutalscherung erkennbar. Das Radar misst dort schon fast auf 3 km Höhe. Da keine CAPPIs vorhanden sind, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob es sich um eine Superzelle handelte.

Nach 14 Uhr entwickelten sich in der Region Bern erste Zellen. Die Zellen bewegten sich recht langsam. Bis 15 Uhr bildete sich eine Linie mit mehreren Gewitterzellen, die nun auch über dem Jura erste schwache Gewitter auslöste. Das Forcing war vermutlich eine Bodenkonvergenz. Nach 15 Uhr bildete sich über dem Jura SE-lich von Basel eine erste kräftige Hagelzelle. Die Zelle zog an den Hochrhein, wo sich in der Umgebung von Laufenburg für kurze Zeit (ca. 15 min) eine schwache Mesozyklone ausbilden konnte.

Um 16:20 Uhr entwickelt sich in der Nähe von Donaueschingen eine weitere Mesozyklone. Diese hat 25 min bestand und ist wesentlich besser ausgebildet als jene vom Hochrhein. Die Kriterien für eine Superzelle sind auch hier nicht erfüllt.

Um 15:00 Uhr entwickeln sich über dem Entlebuch weitere kräftige Zellen. Die ziehen nach NE und bilden einzelne kurzlebige Mesos aus. Um 16:15 bildet sich südlich des Albis eine kräftigere Meso aus. Diese zieht unter Verstärkung über den Zürichsee, dann über Meilen hinweg bis nach Wetzikon, wo sie sich wieder abschwächte. Das CAPPI von 16:52 ist sehr interessant. Es zeigt viele kleinere und schwächere Mesos. Diese formieren sich später wieder zu wenigen grösseren Mesozyklonen. Es begann sich ein mesoskaliges System (MCS) zu entwickeln. In der Folge zog die Mesozyklone über das Hörnligebiet bis nach Wil(17:00 Uhr), wo sie sich wieder verstärkte. Sie zog dann weiter über Sulgen(17:20 Uhr) bis nach Altnau/Güttingen(17:30 Uhr), wo sie sich wieder abschwächte.

Ein weitere Mesozyklone entwickelte sich nördlich des Ricken kurz vor 17:00 Uhr. Sie zog zuerst parallel zur anderen Meso nördlich an Wattwil vorbei, scherte dann unter gleichzeitiger Verstärkung stark nach rechts aus und zog nun in östlich Richtung bis nach Appenzell und über Oberriet hinweg ins Rheintal, wo sie sich wieder auflöste.

In der Animation habe ich die einige Mesos eingezeichnet. Diese habe ich mit M gekennzeichnet. Mesos die länger als 30 Minuten stabil waren, habe ich mit S wie Superzelle angeschrieben. Aus meiner Sicht traten an diesem Tag zwei Superzellen auf. Die Zugbahnen der beiden Superzellen stimmen exakt mit den Hagelzügen überein. Interessant ist, dass zeitweise mehrere Mesos nebeneinander auftraten.



Animation der Mesozyklonen

Zugbahnen der Superzellen

Hagelkarte


Um 17:00 begann die Entwicklung eines MCS, der später in Südbaden und Bayern Sturm und Hagel brachte. Etwa nach 16:40 kann man auf den PPIs erkennen wie sich in und auf der Rückseite der Zelle ein starkes Windsystem ausbildet. Dieses hängt vermutlich mit dem (Rear Flank) Downdraft (RFD) zusammen. Etwa um 17:00 wird starke Konvergenz sichtbar, die sich nach Norden ausweitet und neue Zellen auslöst. Das System beginnt sich nun zu organisieren. Um 17:30 ist starke Konvergenz erkennbar, die schon weit nach Norden bis an die Donau reicht! Der MCS ist entstanden. Am Südrand dieser Systeme befindet sich häufig eine kräftige (Super-)Zelle. In diesem Fall war es die Zelle, welche den Grosshagel in Herisau, Stein und Teufen verursachte. Die Kriterien eines MCS, welche über Temperaturen des Wolkentops und Lebensdauer der Zelle definiert werden, wurden später auch erfüllt.

Dass die Zellen nicht an der Kaltfront entstanden sind, sondern in einem gewissen Abstand zeigen auch die Radarbilder. Es handelte sich um eine präfrontale Konvergenz, welche die Zellen auslöste. Die Front machte sich auf den Dopplerbildern durch eine sprunghafte Windzunahme bemerkbar. Mit der Front kam ein Regengebiet herein. Es wurde durch Hebungsprozesse ausgelöst und brachte nur stratiformen Niederschlag.





Schäden

Ich habe anhand von Zeitungsberichten und Berichten im Forum eine Zusammenstellung aller Extremereignisse gemacht. Wenn man die Übersicht betrachtet, so sieht man mehrere Maxima. Besonders augenfällig sind die Sturmereignisse (grün) zwischen dem Pfannenstiel und Wetzikon. Dort schien das Unwetter besonders stark gewütet zu haben. Ich könnte mir eine Serie von Microburst vorstellen. Ein zweites Maximum ist südlich von St. Gallen festzustellen. Dort handelt es sich um starken Hagelschlag (rot). Ein weiteres Maximum mit Sturm- Hagel und v. a. Überflutungen (blau) gab es um Wil herum und noch eines am See westlich von Romanshorn. Ich habe die Ereignisse noch klassiert. Grössere Punkte (in der Detailübersicht Sterne) sind besonders heftige Unwettererscheinungen.

Auffällig ist, dass sich die Mesos nach einem Sturmereignis abschwächten, sowohl in Wetzikon, als auch westlich von Romanshorn. In Uttwil am Bodensee wurde an einer inoffiziellen Station eine Windböe von 152 km/h gemessen, exakt dieselbe Geschwindigkeit, wie der Jet aufwies. Diese Windgeschwindigkeit kann eigentlich nur noch durch einen Microburst verursacht worden sein. In den nächsten Tagen werde ich mir die Schäden noch vor Ort ansehen um die Windschäden zu klassieren.

Den kräftigen Hagelschlag nördlich von Bütschwil würde ich bereits der Herisauer Zelle zuordnen. Die Unwetter haben in der Schweiz Schäden von 30 Millionen Fr. verursacht.

Übersicht über Unwettererscheinung wie Hagel, Sturm und Überschwemmungen

Detailkarten der Extremereignisse


Extreme Wetzikon

Extreme Herisau

Extreme Wil

Extreme Bodensee

Fazit

Ich vermute, dass an diesem Tag zwei „high precipitation(HP)“-Superzellen auftraten. Dafür sprechen neben den CAPPIs auch die heftigen Begleiterscheinungen der Gewitter (Microbursts und Grosshagel), das hohe CAPE im Osten und eine 0-3km Helicity von knapp 100 m²/s², welches vom ETH-Radar registriert wurde. Die Windscherung war zu gering für „klassische“ Superzellen, reichte jedoch für den Modus HP aus, wo der Niederschlag in den Aufwind zurückfällt und diesen dadurch abschwächt. Deswegen werden für HP-Superzellen hohe CAPE-Werte benötigt, damit die Mesozyklone länger Bestand haben kann.