25.06.2003 - Overshooting Top

Um 19:00 Uhr ging’s los. Wir fuhren zuerst etwas auf den Seerücken um einen Überblick zu erhalten. Es war diesig, die Sicht betrug vielleicht 15 km und zudem war es immer noch drückend schwül. Südlich des Bodanrücks etwa bei Allensbach hatte sich eine kleine, aber recht kräftige Zelle gebildet. Die Fallstreifen deuteten auf Hagel hin. Das Gewitter zog Richtung Konstanz, weshalb wir uns entschieden dorthin zu fahren. Dort erwischten wir um 19:10 Uhr gerade noch die Rückseite. Es regnete kräftig und grosstropfig. Der Regen liess aber rasch nach. Wir fuhren weiter nach Allensbach, weil Richtung W Neubildungen zu sehen waren. Von dort ging’s auf den Bodanrück, wo mir in Richtung NO eine viel versprechende Wolke auffiel. Es war ein Updraft mit mehreren Kilometern Durchmesser. An einer übersichtlichen Stelle in der Nähe von Dettingen machten wir um 19:40 Uhr einige Fotos und filmten die Szenerie. Richtung Radolfzell war ein schöner Cb zu sehen und kurz darauf bildete sich einer über dem Seerücken.

Richtung SW um 19:40 Uhr:





Aber interessant war v. a. die Zelle, welche sich nordöstlich von uns über dem Überlingersee entwickelte.

Richtung NO um 19:40 Uhr:







Die Geschwindigkeit dieser Entwicklung war erstaunlich hoch. Der Inflow war sehr kräftig. Aus SW wurden Wolkenfetzen Richtung Updraft gesogen und aufgelöst. Südwestlich der Zelle lösten sich alle Cumuli auf. Gleichzeitig türmte sich fast über uns eine Wolkenwand auf. Um 19:45 entschlossen wir uns die Zelle zu verfolgen. Wir nahmen die Fähre nach Meersburg. Von der Fähre aus konnte man die weitere Entwicklung gut beobachten. Der Cb nahm gigantische Ausmasse an. Der Updraft hatte sicher 5 km Durchmesser. Nördlich bildeten sich um 20:00 Uhr noch zwei weitere schwächere Zellen. Der Updraft begann um 20:05 Uhr zu pulsieren, das heisst in kurzen Abständen schoss TCus mit einer ungeheuren Geschwindigkeit in die Höhe. Das sah man auch am Eisschrim, der sich plötzlich wellenförmig ausbreitete. Ich habe zwar nicht auf die Uhr geschaut, würde aber die Zeit bis diese das EL erreicht haben auf weniger als 5 Minuten schätzen. Angenommen es wären 10 km gewesen, bedeutet das eine Aufstiegsgeschwindigkeit von über 120 km/h! Ich schätze der Wolkentop war deutlich höher, bei etwa 14 bis 15 km (im Bereich der Overshotings), sonst eher so um 12 km. An der SW-Seite gab es immer wieder deutliche Overshotings.

Der gewaltige Superzellenkomplex aufgenommen von der Fähre kurz nach 20:00 Uhr Richtung NO:





Von Meersburg aus verfolgten wir die Zelle noch bis nach Lindau. Immer wenn die Zelle zu sehen war, fiel mir der ausgesprochen gut ausgeprägte Updraft auf, der nach NO geneigt war. Doch wir hatten keine Chance das Gewitter einzuholen. Ausserdem zog es irgendwann auf den See hinaus und später in die Bregenzer Alpen. In der Nähe von Lindau hatte ich das Gefühl, dass der Updraft nach NO geneigt war. Die Zuggeschwindigkeit der Zelle betrug etwa 60 km/h!

Ich frage mich, ob die Rechtsablenkung der Zelle mit der Umgebung des Sees zusammenhängt oder ob es sich tatsächlich um eine Superzelle gehandelt hat. Ich denke eher das Zweite ist der Fall. Ich habe zwar schon manchmal gesehen, dass eine Zelle dem Seeufer entlang zieht. Doch in diesem Fall ist sie aber sogar auf dem See hinaus gezogen. Die Zelle war ausserdem recht langlebig. Sie entstand um 19:30 und verschwand etwa um 21:30 Uhr aus dem Radarbereich. Somit überdauerte sie mindestens 2 Stunden. Nach einer „klassischen“ Multizelle, die immer wieder neu ansetzt sah es für mich eigentlich nicht aus und auch auf dem Radar sehe ich keine Hinweise hierfür.

Laut Skywarn Austria verursachte diese Zelle in Österreich Schäden in Höhe von 3 Mio EUR! Sie soll dort Hagel mit bis zu 4 cm Durchmesser und Sturmböen von rund 100 km/h gebracht haben! Es gab Schäden an Autos, in der Landwirtschaft und selbst an Hausdächern.